Fussballphilosophie |
Mittwoch, 26. Juni 2002
Denkt man an Brasilien,...
gollum68
17:37h
...so denkt man automatisch an Karneval, Samba, weibliche Schönheiten und natürlich an Fussball. Zwar haben bekanntlich die Engländer die immer noch populärste Sportart der Welt erfunden, doch zur höchsten Vollendung haben diese sicherlich die Brasilianer gebracht - die vier Weltmeisterschaftstitel sind hierfür ein deutlicher Beleg. 1904 jedoch wurde der Pokal zum letzten Mal von englischstämmigen Spielern gewonnen. Die Brasilianer lernten schnell und schlugen schließlich die Engländer in ihrem eigenen Sport, als sich der Fußball wie ein Flächenbrand über das Land ausbreitete. Die englischen Regeln und Ausdrücke wurden weitgehend übernommen. Die harten Laute wurden abgerundet und der eigenen Aussprache angepaßt. Gol (goohl) heißt Tor, das Team wurde zu time (sprich: timi) und der Football zum Futebol (sprich: fudschibol). Bei der Spielgestaltung entwickelten die Brasilianer schnell ihre eigene Linie. Anstelle des Kampfbetonten britischen "kick and rush" trat schnell die südländische Spieleleganz. Harter körperlicher Einsatz samt der in Europa allgemeinen verbreiteten "Blutgrätsche" wurde ersetzt durch perfekte Ballbehandlung und feine spielerische Finessen. Da die Brasilianer in der Regel sehr ballverliebt sind und deshalb die eigenen Mitspieler im Spiel des Öfteren schon einmal in Vergessenheit geraten lassen, kommt die mannschaftliche Geschlossenheit häufiger zu kurz. Daher wird das Spiel zumeist durch die Mitte aufgezogen. Das Spiel über die Flügel samt weiter Flanken, wie man es aus heimischen Bundesligastadien kennt, wird kaum praktiziert. Heute, fast hundert Jahre später, ist der Fussball für Millionen von Brasilianern viel mehr als nur die schönste Nebensache der Welt. Speziell die nationalen Teams werden von ihren Anhängern wie eine Art Heiligtum verehrt, wie es vergleichbar in Europa nur in Italien und Spanien zu finden ist. Fussball ist für die Brasilianer eine glühende Leidenschaft, die während der Fußball-Weltmeisterschaft alle vier Jahre einen stürmischen Höhepunkt erreicht. Wenn die brasilianische Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft spielt, ist das ganze Land stillgelegt wie bei einem Generalstreik. Viele Fabrikbesitzer stellen heute bereits Fernsehgeräte an den Fließbändern auf - ein meist vergebliches Bemühen, den Arbeitsausfall während der Weltmeisterschaft gering zu halten. Die meisten Firmen schließen jedoch während der Spiele und der darauffolgenden Festlichkeiten - falls Brasilien gewinnt. Ein absolutes "Muß" für einen jeden in Brasilien länger weilenden Ausländer sollte der Besuch eines Livespiels im Stadion sein. Aufgrund der vielen Spiele und den für brasilianische Verhältnisse hohen Eintrittspreisen (in der Regel R$ 30,00 - R$ 40,00) sind in den letzten Jahren nur noch die Ortsderbies und die Spiele der Finalrunden regelmäßig ausverkauft. Da alle anderen Spiele kaum mehr als ein paar Tausend Zuschauer anlocken, sollte sich der Besuch auf eines dieser Spiele beschränken. Was dort dann einen eher kühlen Mitteleuropäer erwartet, ist einzigartig und auch vor den zukünftigen eigenen Enkelkindern noch berichtenswert. Selbst wenn das Spiel langweilig sein sollte, lohnt das Spektakel der Fans auf den Rängen den Eintrittspreis. Die Zurufe der Schlachtenbummler gehören genauso zum Spiel wie die Fußballer selbst. Die Fußballfans, das sind lauter fanatische Grüppchen, die riesige Fahnen schwingen, mit einer Energie ohnegleichen singen und tanzen und vor, während und nach dem Spiel einen Feuerwerkskörper nach dem anderen losjagen. Jedoch Vorsicht, teilweise kann der sonst eher friedliche Fanatismus der Fans leider auch in brutale Ausschreitungen ausarten. Die brasilianischen Fußballmeisterschaften: Auszug aus dem Buch: "Willkommen in Brasilien: Informationen für das Einleben in São Paulo" - Band 4 - Copyright © AHK-São Paulo - Câmara de Comércio e Indústria Brasil-Alemanha 2002 Copyright © brasilien.de 1999/2002 Freiburg
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